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Digitale Bezahlsysteme: Wie wir in Zukunft einkaufen

Die Corona-Pandemie hat das bargeldlose Bezahlen in Deutschland vorangetrieben. Doch im internationalen Vergleich spielt Bargeld hierzulande noch immer eine große Rolle. Mit den verschiedenen Möglichkeiten des Bezahlens beschäftigt sich auch das aktuelle Material des Monats. Welche neuen Technologien in Zukunft das Einkaufen verändern könnten, analysiert Wirtschaftsjournalist Jan Wittenbrink.

Bargeldloses Bezahlen ist weltweit auf dem Vormarsch: Nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC könnte das Volumen solcher Transaktionen weltweit bis 2025 gegenüber 2020 um mehr als 80 Prozent zulegen – von einer Billion auf 1,9 Billionen. „Die gesamte Infrastruktur des Zahlungsverkehrs verändert sich fundamental“, sagte Andreas Pratz, Co-Autor der Studie.

Auch in Deutschland werden Münzen und Scheine vermehrt von anderen Zahlungsformen zurückgedrängt. Zwar setzen nach einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens YouGov von Juni noch 66 Prozent der Befragten vor allem Bargeld zur Zahlung ein – im Vorjahr waren es allerdings noch 75 Prozent.

Die Alternativen zum Bargeld sind vielfältig: Neben der Zahlung per Karte hat sich in vielen Ländern auch schon das mobile Bezahlen mit dem Smartphone etabliert. In Deutschland fristet dies noch eher ein Nischendasein. Schon heute können Kund:innen aber in Banken-Apps oder Diensten wie Apple Pay ihre Giro- oder Kreditkarte hinterlegen – und das Handy dann genau wie eine Karte zum kontaktlosen Zahlen nutzen. Umgekehrt lässt sich das Smartphone wiederum auch als Kartenlesegerät einsetzen. Da das Handy in der Regel erst entsperrt werden muss, kann das System auch als vergleichsweise sicher eingestuft werden.

In der Pandemie wurde öfter kontaktlos gezahlt

Zum Rückgang der Bargeldzahlung hat zuletzt vor allem auch die Corona-Pandemie beigetragen: Vielen Menschen erschien Bargeld, das durch viele Hände gewandert ist, nicht mehr vertrauenserweckend. Eine Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom hat ergeben, dass immerhin 85 Prozent der Bürger:innen zwischen Februar und April an der Ladenkasse mindestens einmal kontaktlos gezahlt haben, etwa per Giro- oder Kreditkarte.

„Kontaktloses Bezahlen ist seit Beginn der Corona-Pandemie zum absoluten Standard geworden – und wird das auch bleiben“, analysierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der kontaktlose Vorgang wird durch sogenannte NFC-Chips ermöglicht, die sich in den Karten oder Geräten befinden. NFC steht für „Near Field Communication“ und ist eine Funktechnik für den Nahbereich von wenigen Zentimetern. Eine PIN-Nummer muss man dann nicht mehr eingeben – sofern der Betrag 50 Euro nicht übersteigt. Selbst in einigen Kirchen kann die Kollekte mittlerweile digital eingesammelt werden: Im Griff des Klingelbeutels ist dort ein Bezahlterminal eingebaut. Wer im Gottesdienst keine Münzen dabei hat, hält einfach seine Karte vor.

Allerdings: Im stationären Handel dominiert das Bargeld in Deutschland nach wie vor. Schließlich bleibt oft auch gar keine Wahl, wenn nur Bargeld akzeptiert wird – etwa in Kneipen oder Kiosks. Nach einer im Januar 2021 veröffentlichten Erhebung der Bundesbank werden noch immer 61 Prozent der Transaktionen im stationären Handel mit Bargeld bezahlt, 36 Prozent per Giro- oder Kreditkarte. In anderen europäischen Ländern sieht es anders aus: Spitzenreiter beim bargeldlosen Zahlen ist hier Schweden. Nach einer PwC-Studie von 2020 zahlen dort nur noch 15 Prozent der Menschen bevorzugt mit Bargeld.

Bei Einkäufen im Internet spielt Bargeld logischerweise keine Rolle. Hier wird laut der Bundesbank der größte Teil der Transaktionen (38 Prozent) per Internetbezahlverfahren getätigt, also über Bezahldienste wie Paypal, die zwischen Verbraucher:innen und Banken agieren. Knapp dahinter folgen mit 37 Prozent Überweisung und Lastschrift. Beim Online-Shopping verlangen Kund:innen schon heute einen breiten Mix an möglichen Bezahlverfahren. Wer das gewünschte System nicht findet, bricht deswegen auch schon mal den kompletten Kauf ab.

Aus staatlicher Sicht hat das bargeldlose Bezahlen den Vorteil, dass es Geldwäsche erschwert. Kriminelle können illegal beschafftes Geld also weniger leicht in den Wirtschaftskreislauf einbringen. Für die Verbraucher:innen ist es zunächst einmal deutlich bequemer: Das Geldabheben am Bankautomaten fällt schließlich ebenso weg wie das Zählen des Kleingelds.

Auf der anderen Seite ist Bargeld natürlich anonymer. Viele Bürger:innen sind neuen Bezahlverfahren gegenüber nach wie vor skeptisch. Wer bargeldlos zahlt, hinterlässt schließlich zwangsläufig Daten. App-Anbieter können diese auf unterschiedliche Weise nutzen – etwa zum Schalten zielgerichteter Werbung, oder um Informationen über die Kreditwürdigkeit der Nutzer:innen zu erhalten. Geregelt wird das in der Datenschutzbestimmung der Bezahl-Apps, die man als Nutzer:in akzeptieren muss. Teilweise ist es aber möglich, hier die Weitergabe bestimmter Daten zu untersagen. Ein anderer Aspekt ist die Gefahr von Angriffen durch Cyberkriminelle: Auch wenn Zahlungs-Apps in der Regel als sehr sicher gelten können, lassen sich Sicherheitslücken nie zu 100 Prozent ausschließen.

Virtuell durch Geschäfte schlendern

Das mobile Bezahlen ist nicht aufs Handy beschränkt: Auch Smartwatches oder Fitnessarmbänder sind dazu schon heute in der Lage. In Zukunft werden wohl noch viel mehr technische Geräte Bezahlfunktionen anbieten können. So könnte ein mit Sensoren und Kameras ausgestatteter „intelligenter Kühlschrank“ selbstständig neue Lebensmittel nachbestellen – und diese dann auch direkt bezahlen. Auch Autohersteller könnten eine Funktion ins Cockpit integrieren, die automatisch die Tankfüllung abrechnet.

Das Onlineshopping revolutionieren könnten intelligente Datenbrillen: Mithilfe von „Virtual Reality“-Brillen würde man von zuhause aus durch virtuelle Geschäfte schlendern und einkaufen. Zahlungen ließen sich dann zum Beispiel über einen Scan des Auges verifizieren. Denn die Struktur der Iris ist bei jedem Menschen einzigartig und eignet sich daher zur eindeutigen Identifikation.

Das gilt auch für den Fingerabdruck, den viele Menschen schon heute zum Entsperren ihrer Handys nutzen. In Zukunft könnte er vermehrt auch an der Kasse zum Auslösen einer Zahlung zum Einsatz kommen. Datenschützer:innen sehen solche Verfahren allerdings auch kritisch: Denn theoretisch könnten auch Fingerabdrücke kopiert werden. Und wenn biometrische Daten in falsche Hände geraten, lassen sie sich nicht einfach ändern wie ein Passwort. Noch sicherer könnte daher das Bezahlen per Hand-Innenfläche sein. Auch deren Struktur ist bei jedem Menschen einzigartig – und der Scanner erkennt auch die Zirkulation des Blutes in der Hand, weshalb eine Kopie nicht möglich ist.

Supermärkte könnten in Zukunft womöglich auch ganz auf klassische Kassen verzichten. Bereits heute ist es immer öfter möglich, die Waren selbstständig einzuscannen. Noch einen Schritt weiter geht der US-Handelskonzern Amazon: Er betreibt einige Läden, in denen der Einkauf vollkommen automatisiert erfasst wird. Künstliche Intelligenz erkennt mithilfe von Sensoren, welche Waren jemand aus dem Regal nimmt, und rechnet die Zahlung direkt ab. Vor Betreten des Ladens müssen sich die Kund:innen in einer entsprechenden App von Amazon anmelden. In Deutschland ist so etwas aufgrund der strengen Datenschutzbestimmungen bisher nicht möglich. In der Moskauer U-Bahn können Fahrgäste seit Kurzem allerdings mit ihrem Gesicht bezahlen: Nach dem Blick in eine Kamera öffnet sich die Schranke zur Metro-Station – der Fahrpreis wird automatisch vom hinterlegten Konto abgebucht. Wer das System nutzen will, muss sich vorher registrieren und ein Foto von sich hochladen. Der Vorgang ist bequem – sorgt im autoritär regierten Russland aber auch für Kritik, etwa beim Netzaktivisten Michail Klimarew. „Das Problem ist, dass das System gegen mich verwendet werden kann“, sagte er der ARD-Tagesschau: „Zum Beispiel, um mich als Teilnehmer einer Demo zu identifizieren.“

In China hat das Bargeld ausgedient

Kaum noch eine Rolle spielt Bargeld in China: Dort hat vor allem das Bezahlen per Smartphone-App in den vergangenen Jahren einen großen Siegeszug angetreten. Dabei dominieren die Apps Alipay – ein Bezahlsystem des chinesischen Konzerns Alibaba – und WeChat. WeChat ist ein Messenger, der neben dem Chatten mittlerweile auch zahlreiche andere Funktionen beinhaltet – wie eben das mobile Bezahlen. Nutzer:innen können direkt aus dem Chat heraus etwa ein Taxi oder ein Ticket bezahlen, ohne dafür eine separate App installieren zu müssen.

WeChat und Alipay sind in China sogenannte „Super-Apps“, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Die Bezahlung funktioniert in beiden Apps über Barcodes: Die Verbraucher:innen generieren auf dem eigenen Smartphone einen QR-Code, der dann vom Händler gescannt wird. In China funktioniert das für nahezu jedes Produkt und jede Dienstleistung – selbst Straßenmusiker:innen erhalten ihr Geld per App. WeChat hat allein in China über eine Milliarde Nutzer:innen. Datenschutz ist dabei allerdings nicht gewährleistet: Die chinesische Regierung erhält Zugriff auf von WeChat erhobene Daten, die App wird so zum Überwachungsinstrument. Es zeigt sich also: Bargeldloses Bezahlen bietet viele Vorteile, ist schnell und bequem – dennoch sollte man die jeweilige Anwendung kritisch hinterfragen. Vor allem ist es wichtig, dass nur jene Daten gesammelt werden, die zur Abwicklung der Zahlung wirklich benötigt werden. Wenn Anbieter darüber hinaus weitere Daten sammeln und zusammenführen, könnten sie ein umfassendes Bild einer Person erstellen.

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