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Versicherungen verstehen: Warum das Thema in die Schule sollte?

Ein unerwarteter Sturz, ein gebrochener Arm und der darauffolgende Gang in die Notaufnahme zeigen, wie schnell das Thema Versicherungen für unser Leben wichtig werden kann. Obwohl solche Vorfälle deutlich machen, dass Versicherungen eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen, findet dieses Thema in den Lehrplänen oft wenig Beachtung. Vor diesem Hintergrund sprechen wir mit Dr. Jean-Marie Schwarzkopf, Wirtschaftslehrer und Initiator der Börsenclub AG.

Herr Schwarzkopf, Sie sind Autor einer Teach Economy-Versicherungseinheit für das Gymnasium – warum halten Sie dieses Thema für relevant, wenngleich es nicht überall lehrplanrelevant ist?

Im Leben eines jeden Menschen haben Versicherungen eine zentrale Bedeutung, weil sie Schutz vor finanziellen Risiken bieten und im Ernstfall existenzielle Bedeutung haben können. Auch wenn das Thema Versicherungen nicht explizit in allen Lehrplänen verankert ist, halte ich es für sehr relevant. Versicherungen sind Teil des alltäglichen Lebens. Nahezu jeder hat mit ihnen zu tun, sei es als Kunde, Beitragszahlender oder Leistungsempfangender. Die meisten Schüler:innen werden nach dem Abitur eigenverantwortlich Entscheidungen über Versicherungen treffen müssen – ein komplexes Thema mit vielen Fallstricken. Die Integration einer Versicherungseinheit in den Unterricht leistet einen wertvollen Beitrag für die Schüler:innen. Sie lernen, wie sie Verträge vergleichen und versteckte Kosten vermeiden können. Gleichzeitig erfolgt eine Sensibilisierung für die Rechte als Kund:innen sowie die Verantwortung der Versicherenden. Die Grundlagen des Versicherungswesens zu verstehen, ermöglicht es den Jugendlichen, Entscheidungen mündiger und bewusster zu treffen. Als Bestandteil der finanziellen Bildung und der Vorsorge für die Zukunft, ist es wichtig, dass Schüler:innen lernen, wie man Risiken einschätzt und sich dagegen absichern kann.

Welche Arten von Versicherungen halten Sie für essenziell, welche sollten den Lernenden nahegebracht werden?

Lernende sollten die verschiedenen Arten von Versicherungen kennen und verstehen, welche Risiken sie absichern können. So können sie später selbst entscheiden, welche Versicherungen für ihre individuelle Lebenssituation relevant sind. Aus meiner Erfahrung heraus sind folgende Arten von Versicherungen zur fachlichen Vertiefung für Schüler:innen wichtig:

  • Die gesetzliche Krankenversicherung als eine grundlegende Absicherung im Krankheitsfall, die für jeden verpflichtend ist.
  • Die private Haftpflichtversicherung als Schutz vor den finanziellen Folgen von Schäden, die man anderen Personen unbeabsichtigt zufügt. Zum Beispiel, wenn man versehentlich das Smartphone eines Freundes beschädigt.
  • Die Berufsunfähigkeitsversicherung als private Versicherung tritt ein, wenn eine Person aufgrund von Krankheit oder Unfall dauerhaft berufsunfähig wird und somit ihren Beruf nicht mehr ausüben kann.
  • Eine Hausratversicherung als Schutz des Eigentums in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus vor Schäden durch Einbruch, Feuer, Wasser oder andere Gefahren.
  • Und zu guter Letzt die Rechtsschutzversicherung als weitere private Versicherung, die rechtliche Unterstützung bietet. Sie übernimmt die Kosten für Rechtsstreitigkeiten, wie etwa Anwaltshonorare und Gerichtskosten.

Gibt es Ihrer Meinung nach bestimmte Altersstufen, bei denen die Einführung von Versicherungsthemen besonders effektiv ist?

Ja, meiner Meinung nach zählt dazu die Mittel- und Oberstufe. In der Mittelstufe entwickeln Jugendliche ein gutes Verständnis für komplexe Themen wie Risiko und Wahrscheinlichkeit. Dabei können sie sich mit den verschiedenen Arten von Versicherungen und ihren Leistungen auseinandersetzen. In der Oberstufe stehen junge Menschen vor wichtigen Entscheidungen für ihre Zukunft, z. B. bei der Studien- und Berufswahl. Daher sollten sie über die Bedeutung von Versicherungen für die Absicherung ihrer persönlichen und finanziellen Risiken informiert sein. Neben der Schule ist es auch wichtig, Versicherungsthemen im Erwachsenenalter immer wieder aufzugreifen, weil sich die Lebenssituation und die damit verbundenen Risiken im Laufe des Lebens ändern und eine Anpassung der Versicherungssituation erfordert.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Vermittlung von Versicherungsthemen im Unterricht und welche Ansätze haben Sie, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Leider können Versicherungsthemen komplex und abstrakt sein, da sie häufig mit Fachbegriffen und rechtlichen Regelungen verbunden sind, die für Schüler:innen schwer verständlich sein können. Zusätzlich haben viele Schüler:innen kaum intrinsisches Interesse an Versicherungsthemen, da die Themen oft langweilig und teilweise fern von ihrem eigenen Leben scheinen. Deswegen ist es umso wichtiger, die Inhalte an den Wissenstand und die Interessen der Schüler:innen altersgerecht anzupassen. Praktische Beispiele und spielerische Elemente können verwendet werden, um den Unterricht anschaulich zu gestalten. Mittels interaktiver Methoden wie Fallstudien, Rollenspielen und Expertenvorträgen wecke ich das Interesse der Jugendlichen am Thema und fördere ihr Verständnis. Unabhängige Versicherungsmakler:innen bieten beispielsweise die Möglichkeit als objektive Experten:innen fachliche Vorträge zu halten und Fragen zu beantworten, wodurch die Schüler:innen einen praxisnahen Einblick in die Welt der Versicherungen erhalten. So stärke ich ihre Kompetenz, fundierte Entscheidungen in Bezug auf ihren Versicherungsschutz zu treffen. In den Lehrplänen der Schulen ist leider oft wenig Zeit für die Vermittlung von finanzieller Bildung in Verbindung mit Versicherungsthemen vorhanden. Das führt häufig dazu, dass der Stoff stark komprimiert vermittelt werden muss, was zu einem oberflächlichen Verständnis führen kann. Oft obliegt es den Lehrkräften sich das Wissen über Versicherungsthemen selbst zu erarbeiten. Daher benötigt es mehr qualifizierte Lehrkräfte und vor allem eine stärkere Integration der finanziellen Bildung in die Lehrpläne.

Inwieweit sollten Ihrer Erfahrung nach Eltern in den Bildungsprozess rund um das Thema Versicherungen einbezogen werden?

Eltern spielen eine wichtige Rolle bei der finanziellen Bildung der Jugendlichen, da sie ihren Kindern grundlegende Werte und Kompetenzen weitergeben können, die sie für einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld benötigen. Sie fungieren somit auch als die wichtigsten Vorbilder im verantwortungsvollen Umgang mit Versicherungen.

Der Bildungsprozess zum Thema Versicherungen sollte daher nicht nur an den Schulen stattfinden. Eltern können den Lernprozess zu Hause fortsetzen, indem sie mit ihren Kindern über Versicherungen sprechen und ihnen praktische Erfahrungen vermitteln. Beispielsweise können Eltern, die die Beiträge für die Versicherungen ihrer Kinder übernehmen, sie in die Auswahl der Versicherungen und deren Kostenplanung im Rahmen des Familienbudgets einbeziehen.

Wie wichtig ist es, Schüler:innen über die persönlichen und finanziellen Konsequenzen von unzureichendem Versicherungsschutz aufzuklären?

In meiner Jugend habe ich eine persönliche Erfahrung als Aha-Moment mit dem Thema gehabt, als ich beim Fußballspielen versehentlich ein Auto auf der Straße beschädigte. Der Schock saß tief, da ich den Schaden mit meinem Taschengeld niemals hätte begleichen können. Zum Glück griff unsere private Haftpflichtversicherung und die finanzielle Belastung blieb aus.

Diese Erfahrung verdeutlichte mir damals die Bedeutung einer soliden Versicherungsbasis. Als Lehrer sehe ich es als meine Aufgabe, Schüler:innen über die verschiedenen Arten von Versicherungen und deren Leistungen aufzuklären. Finanzielle Bildung ist ein wichtiger Baustein, um in der Zukunft mündige Entscheidungen treffen zu können. Indem wir sie in diesem Bereichen unterstützen, geben wir ihnen die Möglichkeit, selbstbewusst und verantwortungsvoll mit ihren Finanzen umzugehen.

Weitere Informationen zur Börsenclub AG

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