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Trumps Handelspolitik – Worum geht es wirklich?

Gebannt schaut die Welt auf die USA: Ein Präsident, der unablässig an der Zollschraube dreht und alles über Bord wirft, was die US-Handelspolitik über Jahrzehnte hinweg ausgezeichnet hat, läutet eine neue Ära des Welthandels ein. Die USA vermeintlich vom Freihandel benachteiligt, wollen einen besseren und gerechteren „Deal“. Dieser soll dem dauerhaft hohen Handelsbilanzdefizit entgegenwirken und die eigene Wirtschaft stärken. Worum es Trump aber wirklich geht, erläutert Dr. Hendrik Mahlkow vom IfW Kiel in unserem redaktionellen Beitrag des Monats.

“Jahrzehntelang wurde unser Land von nahen und fernen Nationen geplündert, gebrandschatzt und ausgeraubt, von Freunden und Feinden gleichermaßen.” 

Donald J. Trump bei der Ankündigung neuer Zölle am 2. April 2025.

Mit markigen Worten und drastischen Maßnahmen hat Donald Trump zu Beginn seiner zweiten Präsidentschaft sogenannte „Befreiungszölle'' gegenüber allen Handelspartnern der USA angekündigt. Die USA, jahrzehntelang ein Verfechter des freien Welthandels, verhängen seither Einfuhrzölle von mindestens 10 % – eine Verdreifachung des bisherigen Durchschnittszolls. Gegenüber einzelnen Ländern wurden sogar Zölle von bis zu 49 % (z. B. Kambodscha) in Aussicht gestellt.

Trump ist der Meinung, dass die USA in einem globalen System des ungerechten Handels gefangen seien – einem System, das sie selbst mit aufgebaut haben, das aber zunehmend zu ihrem Nachteil gewirkt habe. In seiner Sichtweise profitierten Länder wie China, Deutschland oder Mexiko über Jahrzehnte hinweg von offenen US-Märkten, ohne selbst gleichwertigen Zugang zu ihren eigenen Märkten zu gewähren. Die Folge aus Trumps Sicht: steigende Handelsdefizite der USA, abwandernde Industriearbeitsplätze und ein wirtschaftlicher Niedergang traditioneller Produktionsregionen.

Trump interpretiert diese Entwicklung als gezielte Ausbeutung durch andere Länder. Besonders die chronisch negative Handelsbilanz – also der Überschuss der Importe über die Exporte – gilt ihm als Zeichen dafür, dass die USA im Welthandel „übervorteilt'' werden. Seine Schlussfolgerung: Freihandel mag auf dem Papier gerecht erscheinen, in der Realität aber nutze er vor allem denjenigen, die sich nicht an die Regeln halten, etwa durch Subventionen, Währungsmanipulation oder unfair niedrige (oder zu hohe) Umwelt- und Sozialstandards. Mit den „Befreiungszöllen'' will Trump dieses Machtgefälle korrigieren. In seiner Logik sind Zölle keine Handelshemmnisse, sondern Mittel zur Wiederherstellung von Fairness. Die USA sollen nicht länger das globale “Absatzventil" für andere Volkswirtschaften sein, sondern ihre industrielle Basis stärken.

Doch worum geht es Trump wirklich? Warum sind bilaterale Handelsdefizite für ihn ein zentrales Problem? Und wie wirken sich seine Maßnahmen auf Partnerländer wie Deutschland und die Europäische Union aus?

Trumps handelspolitische Agenda – Mehr als nur Zölle

Was auf den ersten Blick wie ein bloßes Drehen an der Zollschraube aussieht, ist Teil einer umfassenderen wirtschaftspolitischen Strategie. Trump will nicht nur ausländische Produkte verteuern – er will das gesamte Gefüge des internationalen Handels neu ordnen.

Im Zentrum seiner Agenda steht die Überzeugung, dass die USA einen besseren „Deal'' bekommen, wenn sie sich von den bisherigen Regeln des Welthandels – verkörpert vor allem durch die Welthandelsorganisation (WTO), welche sie selbst aufgebaut haben – lösen. Internationale Handelsabkommen, wie sie jahrzehntelang das Fundament des Welthandels bildeten, gelten ihm als zu komplex, zu langsam und zu nachteilig für amerikanische Interessen. Stattdessen setzt er auf bilaterale Verhandlungen, bei denen die USA als größte Volkswirtschaft direkten Druck auf ihre Partner ausüben können, um diese zu mehr Zugeständnissen zu zwingen. Dabei versteht Trump die handelspolitischen Instrumente zunehmend auch als Werkzeug der Sicherheitspolitik. Besonders deutlich zeigt sich dieser Ansatz im Umgang mit China. China gilt in der US-Strategie nicht nur als wirtschaftlicher Konkurrent, sondern als systemischer Rivale und geopolitische Bedrohung. Trumps Politik zielt ausdrücklich auf die Eindämmung chinesischer Macht – etwa durch Strafzölle und Exportbeschränkungen in Schlüsselindustrien wie Halbleiter, Batterien oder Telekommunikation.

Trump will ein Amerika, das wirtschaftlich autarker, politisch dominanter, handelspolitisch weniger kompromissbereit ist und keinen ebenbürtigen Partner neben sich hat. Der Preis dafür: steigende Spannungen mit Partnerländern, steigende Preise für US-Verbraucher:innen und eine Schwächung des multilateralen Systems.

Handelsungleichgewichte richtig verstehen

Kaum ein Thema zieht sich so hartnäckig durch Trumps Argumentation wie das US-Handelsbilanzdefizit. Für ihn ist es der zentrale Beleg für ungerechten Handel – ein chronisches Minus, das als Zeichen wirtschaftlicher Schwäche und politischer Nachgiebigkeit gelesen wird. Besonders Länder mit hohen Exportüberschüssen gegenüber den USA – allen voran China, die EU und Deutschland – stehen deshalb regelmäßig in der Kritik.

Doch ökonomisch greift diese Sichtweise zu kurz. Handelsdefizite entstehen nicht zwangsläufig durch unfaires Verhalten anderer, sondern spiegeln makroökonomische Strukturen wider: Investitionsverhalten, Sparquoten und Kapitalflüsse sind dabei zentral. Die USA etwa weisen seit Jahrzehnten ein hohes Handelsbilanzdefizit auf, weil sie weltweit als sicherer Anlageort gelten, und dadurch große Kapitalzuflüsse verzeichnen. Hiervon profitieren die USA in vielerlei Hinsicht. Zum einen müssen sie für ihre ausufernde Staatsverschuldung weniger Zinsen am Anlagemarkt zahlen. Zum andern sind Importe günstiger, wovon nicht nur die Verbraucher:innen – durch billige Güter – sondern auch die amerikanische Produktion – durch günstige Vorprodukte – profitiert. Zudem sind bilaterale Handelsbilanzen wenig aussagekräftig in einer global vernetzten Wirtschaft: Ein iPhone „aus China'' enthält Bauteile aus mehreren Dutzend Ländern – darunter viele aus den USA selbst. Trotzdem wird der gesamte Warenwert in der Statistik dem Exportland China zugerechnet. Dasselbe gilt für viele deutsche Maschinenexporte, die auf Vorleistungen aus Europa oder Asien beruhen. Des Weiteren greift der alleinige Fokus auf den Güterhandel zu kurz. Beim Dienstleistungshandel haben die USA mit vielen Ländern einen Exportüberschuss – man denke nur an die Produkte der US Tech-Unternehmen wie Alphabet (Google), Amazon oder Meta (Facebook). Mit anderen Worten: Der internationale Austausch von Waren und Dienstleistungen ermöglicht es den USA, sich auf Sektoren zu spezialisieren, in denen sie Weltmarktführer sind (u. a. Tech-Dienstleistungen) und die Produkte einzukaufen, die andere Länder günstiger und besser herstellen können.

Trumps Interpretation des Handelsbilanzdefizits mag politisch anschlussfähig sein – ökonomisch ist sie vereinfachend und irreführend. Wer Handelsungleichgewichte allein über Zölle und bilaterale Deals bekämpfen will, verkennt die strukturellen Ursachen und riskiert Nebenwirkungen, die den globalen Handel als Ganzes destabilisieren.

Herausforderungen für Europa und Deutschland

Trumps protektionistische Handelspolitik trifft nicht nur Rivalen wie China – sie belastet auch enge Partner wie die Europäische Union. Die EU, lange Zeit ein Stabilitätsanker des multilateralen Handelssystems, wird nun selbst zur Zielscheibe. Dabei sind die USA der wichtigste Handelspartner der EU. Besonders Deutschland, dessen Wirtschaftsmodell auf offenen Märkten beruht, spürt die Folgen unmittelbar. So treffen die 25 % Zölle auf Autoimporte Deutschlands wichtigsten Exportsektor, in einer wirtschaftlich ohnehin fragilen Zeit, in der die deutsche Wirtschaft seit mehreren Jahren nicht wachsen konnte. Die wirtschaftlichen Auswirkungen für Deutschland und die EU reichen von höheren Kosten (wenn die EU Gegenzölle erhebt) über Planungsunsicherheit (Wird Trump die Zölle kurzfristig wieder ändern?) bis hin zu Investitionszurückhaltung (Rutscht die USA durch die Handelspolitik in eine Rezession?).

Doch noch gravierender sind die systemischen Folgen. Trumps Politik untergräbt das Vertrauen in eine regelbasierte Handelsordnung, die auf gegenseitigen Verpflichtungen und unabhängiger Streitbeilegung beruht. Die WTO, einst Garant für fairen Wettbewerb, wird geschwächt, wenn mächtige Staaten sich zunehmend ihren Regeln entziehen oder diese bewusst ignorieren. Besorgniserregend ist die Tendenz, dass einzelne Länder beginnen, bilaterale Sonderdeals mit den USA zu schließen, um sich kurzfristige Vorteile oder Ausnahmen zu sichern.

Die Gefahr: Wenn immer mehr Länder diesem Beispiel folgen – aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen oder in der Hoffnung auf bessere Bedingungen – , zerfällt das multilaterale System Schritt für Schritt. Große Staaten verhandeln dann direkt untereinander, kleinere verlieren an Einfluss, und internationale Regeln werden durch Machtverhältnisse ersetzt. Gerade für die Europäische Union, die selbst nicht über militärische und nur über eingeschränkte geopolitische Dominanz verfügt, ist das eine zentrale Herausforderung. Ihre Stärke liegt in der Regelbindung und in der Fähigkeit, als geschlossener Wirtschaftsblock aufzutreten. Umso wichtiger ist es jetzt, nicht in bilaterale Zugeständnisse zu verfallen, sondern die regelbasierte Ordnung zu verteidigen, strategische Allianzen zu vertiefen und eigene Interessen geschlossen zu vertreten – gegenüber Trump, aber auch im globalen Handel insgesamt.

Dabei gibt es genügend Hausaufgaben, die vor der eigenen Tür liegen. So hat jüngst der Internationale Währungsfond berechnet, dass der EU-Binnenmarkt alles andere als einheitlich ist. Handelsbarrieren innerhalb der EU entsprechen demnach einem Zoll in Höhe von 45 % zwischen den Mitgliedsländern. Wenn die Länder ihre Barrieren abbauen, würde das die Wirtschaft beflügeln und hätte eine größere Unabhängigkeit von den USA zur Folge. Dann könnte mit weniger Sorgen nach Washington geschaut werden.

Tipp

Material des Monats Sek I: Importzölle: Ökonomisches Eigentor oder sinnvolle protektionistische Maßnahme?

Material des Monats Sek II: Welthandel: Freihandel oder besser doch Protektionismus?

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