Zurück

Quickcheck Selbstständigkeit: Lohnt sich meine Geschäftsidee?

Der Handelslehrer Dr. Knut Are Beuck hat sich auf die Beratung von Schüler:innen rund um die Themen Selbstständigkeit und Businessplan-Erstellung spezialisiert. Dass eine berufliche Selbstständigkeit trotz oder sogar gerade in Zeiten von Corona ein spannendes Thema ist, verdeutlicht er anhand einer einfachen Überschlagsrechnung zur Prüfung einer exemplarischen Geschäftsidee.

Zweifelsfrei wurde belegt, dass Neuerungen vorwiegend nicht von großen Konzernen initiiert werden. Deren Marktmacht ist meist auf gesättigten Märkten groß und so scheint es, dass Erfolg „träge“ macht. Der Innovationsdruck reicht nicht aus, neue Produkte in riskanten Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu entwickeln. Hinzu kommt, dass innovative Produkte oft in einem Kannibalisierungsverhältnis zu dem bestehenden Produktportfolio stehen (z. B. Elektroauto kannibalisiert „Benziner“). Aus diesem Grunde bedarf es kleiner und mittlerer Unternehmen, die auf Innovationen angewiesen sind, um am Markt Fuß fassen zu können. Und hier gibt es ein Problem in Deutschland. Seit über 15 Jahren ist die Zahl der Neugründungen rückläufig. Die Gründerquote hat sich mehr als halbiert.

Dabei ist die „post-pandemische“ Zeit nach Covid-19 durchaus voller Chancen für angehende Gründer:innen. Der Bedarf an Konsumgütern und Dienstleistungen ist noch vorhanden. Unter Umständen sogar stärker als vor der Pandemie. Die herrschenden Beschränkungen haben die Nachfrage lediglich künstlich zurückgestaut. Die Menschen würden bspw. gerne italienisch Essen gehen, können es aber nicht. Das Timing ist somit recht günstig, um über den möglichen Erfolg einer beruflichen Selbstständigkeit nachzudenken und die eigene Geschäftsidee – in diesem Beispiel die Gründung einer Pizzeria – einer ersten Prüfung zu unterziehen. Das geht am besten mit einem quantitativen sowie qualitativen Belastungstest, welche die Planung des Gründers auf Machbarkeit prüfen.

Erfolgsformel für eine erfolgreiche Unternehmensgründung: Potenzial = Kapazität

Die Planung muss sicherstellen, dass die geschätzten Umsätze der Kapazität des Unternehmens entsprechen. Dies ist schwierig, da es ja in der Natur der Sache liegt, dass bei einer Gründung keine oder kaum Erfahrungswerte vorliegen. Das Potenzial ist die Chance auf Geschäft, die der Markt bietet – abhängig vom Verhalten der Kund:innen und Konkurrenz, sowie in letzter Zeit immer wichtiger: der Aktivität des Staates. Die Kapazität ist das Volumen an Geschäft, welches das einzelne Unternehmen (hier die Gründer:innen) abdecken kann – abhängig etwa von Prozessen, Finanzierungsquellen, Personal. Mehr Potenzial als Kapazität bedeutet „verschenkte“ Geschäftsmöglichkeiten und birgt starkes Anziehungspotenzial für latente Konkurrenz. Im Beispiel: Das Restaurant ist brechend voll, viele Kund:innen sind genervt. Mehr Kapazität als Potenzial ist auch nicht erstrebenswert, da in dieser Konstellation die Kosten der Unternehmenstätigkeit über den generierten Umsätzen liegen. Das Restaurant hat mehr Personal als Kundschaft, durch die hohen Personalkosten arbeitet es nicht rentabel.

Ist eine Gründung rentabel? Ein quantitativer Schnelltest

Viele Menschen mögen keine Risiken. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum es in Deutschland den bestehenden Mangel an Unternehmensgründungen gibt. Dies impliziert aber, dass ein Arbeitsverhältnis in Form eines Angestelltenverhältnisses frei von Risiken wäre, was nicht der Fall ist. Auch Angestellte sind von Insolvenzen ihrer Arbeitgeberin oder ihres Arbeitgebers betroffen. Und auch Angestellte tragen Absatzrisiken indirekt mit, und zwar durch den steigenden Anteil an flexiblen Entlohnungskomponenten innerhalb ihres Gehaltes. Wie kann also das für alle geltende Risiko greifbarer, kalkulierbarer gemacht werden? Und insbesondere: Wie kann das Risiko erfasst werden, das jeder Gründung anhaftet?

1. Die Planung des Potenzials

Entscheidend ist die realistische Prognose der Umsätze. Dies wird am Beispiel deutlich: Gewerberäume, die günstig gelegen für ein italienisches Restaurant sind, stehen zur Pacht. Angenommen, ein potenzieller Kunde geht zu Fuß 15 Minuten, um sich eine Pizza zu holen. Dann ergibt sich daraus ein bestimmtes Einzugsgebiet. Es ist so als würde man auf dem Stadtplan den Zirkel in den Standort des Restaurants stechen und einen Radius ziehen, der einer Strecke von 15 Minuten Fußweg entspricht. Die Anzahl der Einwohner:innen in diesem Radius wird nun geschätzt. Dies ist mögliche Kundschaft, das Geschäftspotenzial. Vielleicht sind in dem Einzugsgebiet noch andere, mehr oder weniger identische Restaurants tätig, – Konkurrenz – diese würden das mögliche Potenzial reduzieren. Nun kann erwogen werden, wie oft Kund:innen innerhalb des Einzugsgebietes das Restaurant aufsuchen würden. Anhand dieser Einschätzung wird die Einstellung zum Risiko deutlich. So ist eine Gründerin oder ein Gründer, dessen Planung auf den Besuch eines jeden zweiten Einwohners im Einzugsgebiet basiert, wesentlich risikofreudiger, als eine oder einer, der jeden zweihundertsten Einwohner als Kundin oder Kunden einplant. Am Ende dieser Überlegungen steht ein geschätztes Geschäftsvolumen. Für das verwendete Beispiel wird angenommen, dass 48 Kund:innen das Restaurant täglich besuchen. Die potenzielle Absatzmenge wird nun mit einem Preis zum geplanten Umsatz multipliziert. Dieser kann sich an gängigen Preisen für vergleichbare Produkte orientieren. Eine Pizza kostet vereinfacht zehn Euro. Dies würde im vorliegenden Fall einen Tagesumsatz von 480 Euro ausmachen.

2. Die Planung der Kapazität

Jede Gründung basiert wesentlich auf der Einschätzung der Absatzmenge, da sich auch die Kapazitäten des Unternehmens auf diese ausrichten. Ob diese realistisch ist, kann zum Zeitpunkt der Gründung niemand mit Sicherheit sagen. Bei einer Gründung muss diese Unsicherheit ausgehalten werden können. Die Kapazitätsplanung basiert vornehmlich auf dem Element Zeit. Angenommen das Restaurant bietet nur ein Gericht an, in unserem Beispiel die Pizza. So stellt sich die Frage, wie viel Zeit notwendig ist, um eine Pizza herzustellen. Wären zehn Minuten notwendig, würde für 48 Pizzen ein Workload von insgesamt 480 Minuten (10 Minuten pro Pizza x 48 Pizzen) anfallen. Dies entspräche einer vollen Stelle mit 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag (480 Workload/60 Minuten = 8 Arbeitsstunden am Tag). Auf dieser Basis könnte eine Pizzabäckerin bzw. ein Pizzabäcker eingestellt werden, angenommen die Kundenfrequenz wäre über den Tag hinweg in etwa gleich stark. Die weiteren Kosten könnten sich, im Falle variabler Stückkosten, eng an der Prognose orientieren, wie z. B. Zutaten für 48 Pizzen am Tag. Anfallende Fixkosten, die unabhängig von der Höhe des prognostizierten Absatzes anfallen, können ebenfalls abgezogen werden (z. B. Miete, Versicherungen, Werbeaufwendungen). Dazu müssen sie auf Tagesbasis heruntergebrochen werden (z. B. Monatsmiete/Anzahl der Tage im Monat).

3. Ein erster Eindruck: Ist mein Vorhaben rentabel?

Von dem geschätzten, potenziellen Umsatz werden die Kosten der notwendigen Kapazität abgezogen: Der Tageslohn der Pizzabäckerin oder des Pizzabäckers, die Tagesmiete für die gepachtete Immobilie, die Zutaten für die Pizza und auch die Lebenshaltungskosten der Gründerin bzw. des Gründers. Fällt die Differenz positiv aus, hat das Vorhaben eine erste Hürde genommen. Die Gründung hat gute Chancen rentabel zu sein.

Können die Prognosen erreicht werden? Ein qualitativer Schnelltest

Nachdem die bisherigen Überlegungen eher zahlenlastig ausfielen, gibt es bei dem qualitativen Test einen übergeordneten Faktor, der über Erfolg oder Misserfolg einer Gründung maßgeblich bestimmt. Es handelt sich dabei, um das sogenannte Alleinstellungsmerkmal (auch Unique Selling Proposition). Vereinfacht gesagt, müssen Gründer:innen in der Lage sein, „kristallklar“ die Frage zu beantworten: „Warum sollte ein potenzieller Kunde mein Angebot nutzen?“. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich ein unklares Alleinstellungsmerkmal toxisch durch alle Planungen der Gründerin bzw. des Gründers zieht. Von der Definition der Zielgruppe bis zur Wahl der Marketinginstrumente.

Fazit: Besteht die Geschäftsidee den quantitativen und qualitativen Belastungstest, sollte sie weiterverfolgt und verfeinert werden. Diese erste Prüfung bildet zudem die wichtigste Grundlage für die Ausgestaltung von Geschäftsmodell und Businessplan.

Tipp