Zurück

Influencer-Marketing als strategisches Marketinginstrument

Marketing spielt seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle für die Marktwirtschaft und ist über alle Branchen hinweg ein notwendiges und unverzichtbares Instrument, um sich als Unternehmen auf den Märkten zu behaupten. Durch den zunehmenden globalen Wettbewerb steigt der Druck auf Unternehmen, den Umfang und die Qualität ihres Auftritts vor allem im Internet kontinuierlich anzupassen und auszubauen. Dr. Nils S. Borchers, Akademischer Rat am Institut für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen, erläutert eine durch die fortschreitende Digitalisierung der Marktwelt immer mehr an Bedeutung gewinnende Variante: das Influencer-Marketing.

Was steht hinter dem Konzept?

Social-Media-Influencer sind Akteure, die im Social Web eine signifikante Anzahl an relevanten Beziehungen mit einer spezifischen Qualität und somit Einfluss auf andere Nutzer aufgebaut haben. Das gelingt ihnen, indem sie Content produzieren, verbreiten, in diesem auftreten und über diesen mit ihren Followern interagieren. Anders als gewöhnliche Internetnutzer kuratieren Influencer gezielt ihre öffentliche Persona im Rahmen des Self-Branding. Aufgrund dieser Eigenschaften und Kompetenzen sind sie zu einem attraktiven Kooperationspartner für Organisationen geworden. Im Rahmen der strategischen Influencer-Kommunikation versuchen Unternehmen, aber auch NGOs oder staatliche Behörden, mit Hilfe von Influencern ihre Marketing- und Kommunikationsziele zu erreichen. Das lässt sich am besten verstehen, wenn man Influencer als Objekt einer doppelten Faszination, sowohl von Followern als auch von Auftraggebern, begreift.

Was fasziniert Follower?

Influencer haben sich innerhalb weniger Jahre als ein popkulturelles Phänomen etabliert. Sie gehören neben Musikern zu den wichtigsten Idolen von Jugendlichen, und auch ein Großteil der jungen Erwachsenen folgt ihnen auf YouTube, Instagram, Blogs und anderen Kanälen. Influencer verkörpern gleich mehrere gesellschaftliche Makrotrends: Authentizität, Intensität und Singularität. Diese Trends zeigen als soziale Imperative auf, wie ein Leben zu gestalten ist, damit es als gelungen gilt. Als authentisch beschreibt der amerikanische Philosoph Charles Taylor das Realisieren der eigenen Entwicklungspotenziale. Der Imperativ der Intensität verlangt dem französischen Philosoph Tristan Garcia zufolge, das Leben bereits im Diesseits in vollen Zügen zu genießen. Singularität beschreibt laut dem deutschen Soziologen Andreas Reckwitz das Streben nach Besonderheit, dem Herausstechen aus der Masse. Influencer leben ein authentisch-intensiv-singuläres Leben. Ihnen gelingt es dabei gleichzeitig, und das ist ein weiterer Grund für die Faszination, für das Leben dieses Lebens (bzw. dessen Darstellung) Aufmerksamkeit zu erlangen. So sind sie zu ikonischen Figuren des Social-Media-Zeitalters aufgestiegen.

Was fasziniert Auftraggeber?

Die Faszination hat aus der Perspektive von Auftraggebern naturgemäß andere Gründe als aus der von Followern. Einer der wichtigsten Gründe für die Zusammenarbeit mit Influencern liegt in der Ansprache junger Zielgruppen. Jugendliche und jungen Erwachsene nutzen klassische massenmediale Kanäle wie TV, Radio und Zeitung nur noch eingeschränkt. Ein weiterer zentraler Vorteil dieser Kooperationen besteht in ihrer Effektivität. Diese beruht auf Vertrauensbeziehungen, die Influencer und Follower langfristig in Interaktionen aufbauen: Follower verfolgen die Posts der Influencer, sie liken und kommentieren. Influencer wiederum gewähren Einblicke in ihr Leben, sie reagieren auf Anregungen, erbeten Kommentare.

Unternehmen verfolgen bei der Kooperation mit Influencern eine ganze Reihe an Zielen. Diese gehen deutlich über bloße Absatzziele hinaus und umfassen beispielsweise Branding- und Markenbildungseffekte, Kundenbindung und den Aufbau von Markencommunities. Größtenteils handelt es sich um Marketingziele, allerdings werden ebenfalls klassische Public-Relations-Ziele verfolgt wie die Entwicklung organisationsinterner Kompetenzen oder die Beeinflussung politischer Entscheidungen. Es bietet sich daher an, nicht verengend von Influencer Marketing zu sprechen, sondern von Influencer-Kommunikation.

Influencer-Kommunikation – eine Herausforderung für junge Internetnutzer?

Die Faszination für Influencer führt, so nehme ich es in meiner Forschungsarbeit mit Jugendlichen an Schulen wahr, zu Ambivalenzen. Denn es entsteht eine Spannung zwischen

  • (a) ihrem Wissen um mögliche Verzerrungen: sie sind sich unsicher, wie wahrhaftig die Begeisterung von Influencern für vorgestellte Produkte ist;
  • (b) ihrer Faszination: sie bewundern Influencer und sind bereit, ihren Empfehlungen durchaus mit dem Ziel zu folgen, sie durch den Kauf des präsentierten Produktes zu unterstützen.

Die Herausforderung besteht in einem kompetenten Umgang mit dieser Ambivalenz. Dafür ist zunächst das Erkennen gesponsorter Inhalte notwendig, die in der Regel gut in organische Inhalte eingebettet werden. Jugendliche vertrauen vielfach auf die Kennzeichnung bezahlter Inhalte durch Influencer. Die Landesmedienanstalten als zuständigen Regulierungsbehörden haben in Deutschland verhältnismäßig früh damit begonnen, Transparenz einzufordern. Daneben tritt die Abmahntätigkeit privater Verbände, insbesondere des Verbands Sozialer Wettbewerb, die die Branche beobachten und rechtlich auch dann gegen Influencer vorgehen, wenn sie im Rahmen ihrer (Lifestyle-)journalistischen Funktion ein Produkt vorstellen, ohne dafür vergütet zu werden. Gerade das hat zu einer gewissen Verunsicherung in der Branche geführt, die eine Überkennzeichnung nach sich zieht: Viele Influencer kennzeichnen aus Angst vor Abmahnungen jeglichen Post mit Produktbezug als Werbung.

Generell scheint mir die Kennzeichnungsdebatte, das ist eine Erkenntnis aus meiner Forschungsarbeit, zwar wichtig, aber dennoch überbewertet. Follower wissen, dass Influencer für manche Posts bezahlt werden. Es ist ihnen aber oftmals schlicht egal, da sie sich für ihre Influencer begeistern. Zudem unterstellen sie vielen Influencern, nur für solche Produkte zu werben, die sie selbst gut finden. Diese Vorstellung ist nicht einmal sonderlich naiv. Zum einen können gerade bekannte oder thematisch spezialisierte Influencer auswählen, mit welchen Partnern sie zusammenarbeiten. Zum anderen wissen Influencer um den Stellenwert der Authentizität in der Social-Media-Welt, sodass sie sich überlegen sollten, ob eine angebotene Kooperation zu ihnen passt.

Meines Erachtens ist es daher neben der Kennzeichnungsdebatte notwendig, das Verständnis für eine klare Trennung von bezahlten und redaktionellen Inhalten zu stärken. Dazu bietet sich etwa eine Auseinandersetzung mit den Zielen von Organisationen an. Natürlich ist eines dieser Ziele der Verkauf von Produkten. Organisationen verfolgen aber auch deutlich weniger direkte Ziele, und diese haben Jugendliche zumeist nicht im Blick. Ein anderer Zugriff auf die Mechanismen der Branche ergibt sich durch die Untersuchung von Ertragsmodellen der Influencer und den Zwängen, die daraus entstehen. Zwar gelingt es einigen Influencern, ihre Einkünfte zu diversifizieren, etwa über den Verkauf exklusiver Inhalte (z. B. über die Plattform OnlyFans), eigenes Merchandising (z. B. T-Shirts, Schulkalender), eigene Produktlinien (z. B. Kosmetikprodukte) oder das Anbieten von Dienstleistungen und Beratertätigkeiten an Unternehmen (z. B. durch die Gründung einer Werbeagentur). Dennoch ist das Ertragsmodell der meisten Influencer einseitig auf Einnahmen aus Kooperationen ausgerichtet. Das kann dazu führen, dass Influencer auch dann Produkte anpreisen, wenn sie nicht hinter ihnen stehen.

Meine leicht naive Hoffnung: eine Kombination aus verantwortungsvollen Branchenakteuern, kompetenten Nutzern und aufmerksamen Regulatoren sorgt dafür, dass die Freude, die Jugendliche an diesem popkulturellen Phänomen haben, nicht durch seine rücksichtslose Kommerzialisierung zerstört wird.

Tipp