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Finanzwissen ist wichtig! Aber wie das Interesse der Jugendlichen wecken?

Finanzthemen werden von Schüler:innen oft als trocken wahrgenommen. Doch gerade angesichts größerer finanzieller Herausforderungen wie z. B. hoher Vermögensungleichheit, einem sinkenden Rentenniveau, finanziellen Bildungslücken oder der hohen Inflationsrate bei gleichzeitig niedrigen Zinsen rückt das Thema in den Vordergrund. Jean-Marie Schwarzkopf ist Wirtschaftslehrer und treibt das Thema finanzielle Bildung zusammen mit seinen Schüler:innen auf seinem Instagram- und YouTube-Kanal rund um die Börsenclub AG an. Im Interview spricht er in Anlehnung an das Material des Monats über Geldanlagen und wie man die Lernenden dafür begeistert.

Herr Schwarzkopf, Sie selbst sind sehr interessiert an Finanzthemen – aber warum ist es Ihnen eine Herzensangelegenheit, Ihre Begeisterung auch an Ihre Schüler:innen weiterzugeben?

Ja, das Thema treibt mich um. Denn ich sehe auch die enorme Bedeutung für meine Schüler:innen. Laut der Jugendstudie 2021 zu Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur des Bankenverbandes konnten 86 % der 14- bis 24-Jährigen nicht einschätzen, wie hoch die Inflationsrate ungefähr lag. 44 % der Befragten konnten den Begriff „Inflationsrate“ nicht erklären. Das finde ich erschreckend und sehe hier großen Handlungsbedarf.

Wie können Sie als Lehrkraft hier unterstützen?

Falls das Unterrichtsfach Wirtschaft, in dem finanzielle Bildung meist ein integraler Bestandteil ist, fehlt, besteht die Möglichkeit, Börsenplanspiele zu nutzen oder Plattformen wie Börsenclub AGs mit besonders engagierten Lehrkräften zu führen, um einen fachkundigen Austausch zu Themen der finanziellen Bildung an der Schule anzubieten. Kompetente Finanzexpert:innen können die Treffen durch Fachvorträge unterstützen und im Nachgang die spannenden Fragen der Schüler:innen beantworten.

Wie ist Ihre Wahrnehmung – würden Sie sagen, dass die Jugendlichen an diesen Themen nicht interessiert sind?

Das Interesse zum Aufbau eines eigenen Vermögens ist meiner Erfahrung nach bei den Schüler:innen in allen sozialen Schichten groß, um die eigenen, finanziellen Ziele zu erreichen. Dazu zählen beispielsweise Reisen, der Traum von der eigenen Immobilie oder der finanziellen Freiheit. Hierfür benötigt es engagierte und kompetente Lehrkräfte, die als Vorbilder für die Jugendlichen dienen. Wir sollten die Schüler:innen gemeinsam durch spannende AGs, Spiele, Projekte, Fachvorträge und Unterrichtseinheiten für Finanzthemen begeistern, damit sie als mündige Bürger:innen ihr Leben, und dazu zählt auch der Vermögensaufbau, selbstbewusst in die Hände nehmen und Anlageprodukte dabei auch kritisch hinterfragen.

Aber um kritisch hinterfragen zu können, muss natürlich entsprechendes Wissen vorhanden sein. Was sind die wichtigsten Inhalte, die Sie Ihren Schüler:innen rund um das Thema Geldanlage vermitteln?

Im Zentrum zum Vermögensaufbau steht die Vermögensformel:
Vermögen = (Einnahmen - Ausgaben) × Zeit × Rendite

Sobald die Einnahmen größer als die Ausgaben sind, beginnt das Vermögen zu wachsen. Das Vermögenswachstum kann bereits mit 10 € im Monat starten, so läge das Vermögen nach einem Jahr bei 120 €. Besonders der Faktor Zeit spielt eine große Rolle, der häufig unterschätzt wird. Investieren etwa die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt ein kleines Startkapital für die Kinder in einem Depot mit einem breit gestreuten Aktien-ETF, lässt sich über eine durchschnittliche Rendite von 6 % (vor Steuern und Inflation) ein beträchtliches Vermögen über Dekaden aufbauen. Sobald die Schüler:innen einen Nebenjob haben, kann neben dem Taschengeld der Kapitalstock im Juniordepot monatlich weiter aufgestockt werden. Albert Einstein sprach davon, dass der Zinseszins das „Achte Weltwunder“ sei. Nachdem man mit einem Startkapital in einem Depot einen breit gestreuten Aktien-ETF gekauft hat, könnte man mit einer dynamischen Sparrate regelmäßig ETF-Anteile automatisch kaufen und langfristig Vermögen aufbauen, ohne dauerhaft in das Depot zu schauen. Zudem lässt sich der Vermögensaufbau gut mit nachhaltigen Aktien-ETFs umsetzen. Eindrucksvoll hat es der verstorbene Börsenmeister André Kostolany zusammengefasst: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ So einfach ist es bei Aktien zwar nicht – man denke an das Desaster mit der Telekom-Aktie, aber ETFs bieten die oben genannten Vorteile.

Kann es so einfach im regulären Unterricht sein? Haben Sie Tipps, wie die Finanzthemen gut in den Unterricht eingeführt werden können?

Ich nutze z. B. gerne einen problemorientierten Einstieg, bei dem sich die Schüler:innen in die Lage eines Investors versetzen. Also etwa: „Stell dir vor, dass du heute durch die Teilnahme an einem Lottospiel 50.000 € gewonnen hast. Statt das Geld gleich wieder zu konsumieren, möchtest du das Geld bei einer Inflationsrate von etwa 8 % langfristig gewinnbringend (rentabel) anlegen (investieren).“

Die Lernenden müssen dann anhand der wesentlichen Entscheidungskriterien bei der Vermögensanlage entscheiden, in welche der folgenden Anlageklassen sie langfristig investieren würden: Gold, Rohstoffe, Aktien, Wohnimmobilien, kurzfristige oder langfristige Staatsanleihen. Im Anschluss werfen wir zusammen einen Blick auf die inflationsbereinigten Langfristrenditen der wichtigsten Vermögensanlagen.

Aktien können besonders nahbar für die Schüler:innen veranschaulicht werden, da sie tägliche Produkte und Dienstleistungen der globalen Unternehmen konsumieren. Man kann sich also langfristig an den Unternehmen beteiligen, erhält Dividenden und profitiert vom Gewinnwachstum des Unternehmens mit dessen Produktpalette: Apple – Smartphones, Monster Beverage – Energydrinks, PepsiCo – Chips und Softdrinks, Mondelez – Milka-Schokolade.

Um das Entwicklungspotenzial einzuordnen, bieten sich beispielsweise Charts, wie der von Monster Beverage, an.

Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Thema nachhaltiges Investieren für Sie?

Verantwortung, Kontrolle und Freude spielen in unserem Leben eine große Rolle. Nachhaltigkeit in Bezug auf die eigene Altersversorgung, nachhaltiges Investieren für die Zukunft, ethische Konsumentscheidungen sowie Unternehmensgründungen mit Fokus auf Upcycling oder Nachhilfeplattformen sind wichtige Themen im Rahmen der ökonomischen Bildung. Daher liegt mir die ökonomische Bildung unter Nachhaltigkeitsaspekten der Schüler:innen besonders am Herzen, da wir gemeinsam einen Mehrwert für alle Beteiligten kreieren können.

Apropos Mehrwert – was möchten Sie Ihren Schüler:innen zum Thema Geldanlage generell mit auf den Weg geben?

Grundsätzlich fand ich das goldene Dreieck von Brian Tracy stets empfehlenswert, welches ich für meine Schüler:innen im Unterricht folgendermaßen abgewandelt habe:

  • „Ich übernehme Verantwortung für mein Leben und meine (ökonomische) Bildung.“
  • „Ich setze mir eigene (finanzielle) Ziele und halte diszipliniert daran fest.“
  • „Ich lerne mein gesamtes Leben lang Neues und bleibe neugierig.“

Tipp

Material des Monats: Aktiv oder passiv Geld anlegen – was steckt hinter dem ETF-Boom?

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