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Arbeitswelt 4.0 – wie Digitalisierung die Arbeitswelt verändert

Unbestritten führt die Digitalisierung zu einer steigenden Geschwindigkeit sowie einer zunehmenden Arbeitsintensität und -komplexität. Das Material des Monats hilft, den Schülerinnen und Schülern die zentralen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Arbeitsleben sowie die dadurch relevant werdenden Berufskompetenzen zu verdeutlichen. Die Professorin für Personalmanagement, Jutta Rump, fasst in ihrem Beitrag zusammen, vor welche Herausforderungen uns der stetig wachsenden Informationsfluss und die damit einhergehende Wissensexplosion stellen.

Arbeitsplatzentwicklungen

Haben die digitalen Technologien eine große Bedeutung und einen großen Einfluss am Arbeitsplatz, stellt sich die Frage, wer „den Takt vorgibt“ – der Mensch oder die Maschine – und bei welchen Tätigkeiten der Mensch im Mittelpunkt steht. Bei manuellen und / oder kognitiven Tätigkeiten nicht nur in einfachen, sondern auch in komplexen Arbeitsprozessen besteht mehr und mehr die Möglichkeit der (Teil-)Automatisierung. Dies wird zwangsläufig mit einer Anpassung der Arbeitsstrukturen verbunden sein (müssen). Eine solche Entwicklung hat qualitative und quantitative Beschäftigungseffekte. In der Diskussion darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass mit der Digitalisierung und dem Einsatz von digitalen Technologien am Arbeitsplatz auch Entlastungseffekte verbunden sein können. Assistenzsysteme können das Arbeitsleben erleichtern, indem sie z. B. die Menschen schrittweise durch komplexe Arbeitsabläufe führen. Es bestehen somit auch mehr Möglichkeiten, leistungsgewandelte Beschäftigte, d. h. Mitarbeiter mit Tätigkeitseinschränkungen, einzusetzen. Zudem schenkt uns die Digitalisierung Zeit, denn wir „verschwenden“ keine Zeit mehr in Routinearbeit, weil diese durch Algorithmen und / oder Roboter übernommen werden kann. Stattdessen können wir die Zeit investieren, um z. B. neue Aufgaben und bestehende Aufgaben intensiver zu bearbeiten, Innovationen voranzutreiben sowie die persönliche Interaktion zum Kunden und im Team zu verstärken. Darüber hinaus befördert die Digitalisierung die Entkoppelung von Ort und Zeit am Arbeitsplatz. Mobile Arbeitsmodelle sind aus der technischen Sicht leichter umsetzbar als bisher.

Notwendige Kompetenzen

Die Anforderungen an Qualifikationen und Kompetenzen werden zunehmen. Dies gilt insbesondere für

  • IT-Grundkompetenz, digitale Kompetenzen, Medienkompetenz,
  • Methoden- und Social-Skills,
  • emotionale und soziale Kompetenz,
  • kreative Kompetenz und die Fähigkeit über den Tellerrand hinwegzuschauen,
  • Lern- und Veränderungsbereitschaft sowie -fähigkeit,
  • Fähigkeit im Umgang mit Geschwindigkeit und Komplexität,
  • Frustrationstoleranz,
  • Selbst-Management,
  • lebenslanges Lernen,
  • Optimismus.

Auch die Fähigkeiten, mit und ohne direkten persönlichen Kontakt zu kommunizieren und zu kooperieren sowie Wissen zu teilen, gehören zu den essenziellen Anforderungen. Dieses doch sehr ambitionierte Anforderungsprofil stellt die Frage in den Raum, wer derartige Kompetenzen mitbringt. Der Eindruck einer „eierlegenden Wollmilchsau“ entsteht. Es ist damit zu rechnen, dass nur wenige Personen dem sehr umfangreichen Anforderungsprofil entsprechen. Dennoch bleibt der Anspruch, dass diese Anforderungen abgedeckt sein müssen. Bisher haben wir den Fokus darauf gelegt, dass eine Person den wachsenden Anforderungen genügen muss. Bezeichnen wir diese Sichtweise als intrapersonelle Perspektive. Wenn wir nun 1. davon ausgehen, dass eine solche Sichtweise zunehmend an Grenzen stößt, weil viele Mitarbeitende an Grenzen stoßen und auch überfordert sind, und wenn wir 2. gleichzeitig die Notwendigkeit des Aufgaben- und Anforderungsprofils bekräftigen, bedarf es einer Änderung der Perspektive. Es braucht die interpersonelle Sichtweise. Wenn eine Person allein es nicht schafft, dann sollten die Kompetenzen im Team vorhanden sein. Um die Aufgaben zu bewältigen, sind also mehrere Personen beteiligt. Das Leitprinzip ist somit die Partizipation.

Der Unterschied zwischen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit

In der Vergangenheit wurden Erreichbarkeit und Verfügbarkeit nicht selten gleichgesetzt – mit dem Effekt, dass wir in einer vernetzten, schnelllebigen Arbeitswelt der Gefahr ausgesetzt sind, uns als „Hamster im Rad“ zu fühlen. In einer vernetzten Welt sind wir IMMER erreichbar. Wenn der Kollege der Kollegin eine Nachricht per E-Mail, SMS oder WhatsApp schickt, hat er sein Anliegen von seinem „Schreibtisch“ wegbewegt und ihr zugestellt. Die zentrale Frage lautet dann: Ist sie für ihn auch direkt verfügbar? Es bedarf also weniger der Regelung der Erreichbarkeit, sondern vielmehr der Regelung der Verfügbarkeit. Allerdings besteht auch eine Wechselwirkung: Ist die Erreichbarkeit gegeben, erhöht dies die Erwartungshaltung – sowohl seitens des Unternehmens als auch des Individuums an sich selbst – auch verfügbar zu sein. Klar ist nach dem Weißbuch Arbeiten 4.0 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: „Aus der Möglichkeit des ‚Anytime – Anyplace‘ darf für Beschäftigte nicht das Diktat des ‚Always and Everywhere‘ werden“. Grundsätzlich gilt es bei den Fragestellungen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, das Bedürfnis nach Individualität zu beachten. Denn jeder Mensch empfindet die Grenzziehung unterschiedlich. Für manche Beschäftigte ist es belastend, auch in der Freizeit oder im Urlaub mit arbeitsbezogenen Fragestellungen konfrontiert werden zu können. Andere sehen es wiederum als Vorteil, während des Urlaubs auf dem aktuellen Stand zu bleiben, um notfalls direkt reagieren zu können. Allgemein gültige Regelungen, wie etwa das Abstellen der Server um 18 Uhr, greifen daher zu kurz. Es braucht dezentrale Lösungen in der Abteilung, im Team und / oder zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem, die zum einen die Abgrenzung zwischen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit definieren und zum anderen eine Verbindlichkeit im Handeln gewährleisten.

Die Herausforderung: Bewahren – Verändern

Digitalisierung ist mit zahlreichen und umfangreichen Veränderungen in allen Bereichen eines Unternehmens, der Wirtschaft sowie der Gesellschaft verbunden. Veränderungen ihrerseits lösen bei vielen Menschen das Gefühl von Unsicherheit und Ungewissheit aus. Um mit dieser Unsicherheit und Ungewissheit umzugehen, bedarf es Orientierung bzw. Faktoren, auf die man zählen kann, die Verbindlichkeit und Konstanz vermitteln. Da Digitalisierung vor allem Geschäftsmodelle, Organisationsstrukturen, Prozesse und Kompetenzanforderungen verändert, sind diese Hard Facts keine Stabilisierungsfaktoren (mehr) und bieten eher wenig Orientierung. Unter diesen Bedingungen muss Orientierung stattdessen mit Soft Facts verknüpft sein. Zu diesen Soft Facts zählt die Unternehmenskultur mit den Werten der Glaubwürdigkeit, der Transparenz und der Partizipation. Egal mit welchen Veränderungen der Betrieb konfrontiert wird, diese Werte verändern sich nicht, sie sind der Stabilisierungsfaktor, der das System unter hoher Veränderungsgeschwindigkeit und -dynamik in der Bahn hält. Hierauf geben die Beschäftigten dann ihr Commitment ab. Damit wird deutlich, dass diese Faktoren bewahrt und gepflegt werden müssen, unabhängig von den Trends und Entwicklungen, mit denen Unternehmen konfrontiert sind. Sie sind die DNA eines Unternehmens und sind mit dessen Identität verbunden.

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