Wenn es um das Thema Vermögenswerte und Vermögensaufbau geht, wird es in der Regel recht schnell still. Die einen fürchten Neider, die anderen haben Angst als unwissend und erfolglos dazustehen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, Finanzwissen zu erwerben, sei es in der Schule oder aber in der Erwachsenenbildung. Wie diese aussehen können, darüber sprechen wir mit Jean-Marie Schwarzkopf, Lehrkraft an einem Hamburger Gymnasium und Fortbildner im Bereich Finanzbildung.
Herr Schwarzkopf, in Deutschland ist das Thema Geld immer noch ein Tabuthema. Warum ist das so?
Geld bleibt in Deutschland oft noch ein Tabuthema, weil es mit Scham, Status und sozialen Normen verknüpft ist. Eine Umfrage von Postbank und Kantar aus dem Juni 2021 zeigt, dass rund 70 Prozent der Deutschen Geld als Tabuthema empfinden. Besonders Themen wie Schulden, Geldanlage oder Vorsorge werden kaum offen angesprochen. Etwa 60 Prozent diskutieren solche Fragen allenfalls im eigenen Haushalt. Auch in Familien und Freundeskreisen findet ein offener Austausch über Einkommen, Ersparnisse oder finanzielle Strategien nur selten statt. Als Wirtschaftslehrer sehe ich jedoch, dass viele junge Menschen ein großes Interesse an Finanzthemen haben und den Tabubruch aktiv wagen. Die steigende Nachfrage nach Finanzbildung zeigt, dass sich immer mehr Menschen bewusst mit ihrer finanziellen Zukunft auseinandersetzen wollen. Der Workshop der VHS „Dein Finanzkompass - Mit interaktiven Lernmethoden zum nachhaltigen Vermögensaufbau durch Aktien, Anleihen und ETFs“ in Hamburg ist regelmäßig und schnell ausgebucht. Auch die Fortbildungen zur Finanzbildung, die ich beim Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg und bei Fobizz anbiete, werden immer stärker nachgefragt. Dies verdeutlicht, dass die gesellschaftliche Einstellung zu Geld im Wandel ist. Der Stein kommt langsam ins Rollen und vielleicht löst sich das Tabu allmählich auf.
Wer besucht Ihre Fortbildungen und was sind die Beweggründe der Teilnehmenden?
Die Fortbildungen werden von einer vielfältigen Gruppe besucht, wobei sich bestimmte Trends abzeichnen. Viele Teilnehmende sind über 30, weil sie mit dem Einstieg ins Berufsleben und einem festen Einkommen zunehmend Interesse an finanzieller Bildung entwickeln. Oft sind es Personen, die in der Schule nur wenig über Geld, Investitionen oder wirtschaftliche Zusammenhänge gelernt haben und diese Wissenslücke nun schließen möchten. Insbesondere risikoaverse Menschen nehmen teil, da sie sich aufgrund der vermeintlichen Komplexität des Themas an dieses bisher nicht herangewagt haben. In den VHS-Workshops sind die Altersgruppen breit gefächert, von 18 bis 65 Jahren, was zeigt, dass Finanzbildung keine Frage des Alters ist. Interessanterweise waren in dem aktuellen Börsenführerschein-Kurs an unserer Schule zwei Drittel der Teilnehmenden Schülerinnen. Das weist auf ein wachsendes Interesse von Frauen an Finanzthemen hin. Auch Lehrkräfte suchen verstärkt Fortbildungen zu diesen Themen, um ihre Schülerinnen und Schüler besser auf finanzielle Entscheidungen im Leben vorzubereiten.
Eine Versicherung abzuschließen für verschiedene Eventualitäten, die wahrscheinlich nie eintreten werden, ist weit verbreitet. Warum tun sich dennoch viele damit schwer, einen Teil ihres Geldes für den Vermögensaufbau zu nutzen?
Viele Menschen schließen ohne zu zögern Versicherungen ab, um sich gegen unvorhersehbare Risiken abzusichern, und genau darin liegt der Kern des Problems. Oft liegt es nicht an zu wenig Geld, sondern an mangelndem Vertrauen in Anlageformen oder einer tief verwurzelten Risikoaversion, warum nicht investiert wird. Dabei zeigen Studien, dass selbst Menschen mit niedrigen Einkommen durch frühzeitiges und kontinuierliches Investieren langfristig Vermögen aufbauen können. So kann zum Beispiel ein monatlicher Sparbetrag von 50 Euro über 30 Jahre bei einer durchschnittlichen Rendite von 6 % ein Kapital von über 50.000 Euro generieren. Die Vorstellung einer Geldanlage mit hoher Rendite und null Risiko ist dagegen eine Illusion, denn jedes Investment birgt gewisse Schwankungen und die Rendite ist der Preis für das Risiko. Um sich diesem Risiko anzunähern, hilft es, sich intensiv mit verschiedenen Anlageklassen zu beschäftigen und zunächst mit kleineren Beträgen zu starten. Ein bewährter Ansatz ist das schrittweise Investieren z. B. in breit gestreute ETFs oder kostengünstige Fonds, um Marktschwankungen besser abzufedern und ein Gefühl für die Dynamik des Marktes zu entwickeln. Wer Risiken als Teil des Vermögensaufbaus versteht und konstruktiv damit umgeht, kann langfristig profitieren und finanzielle Sicherheit aufbauen.
Das will gelernt sein. Finanzbildung ist jedoch in den aktuellen Lehrplänen im Bereich Wirtschaft/Politik kaum vertreten, so auch in Hamburg, wo Sie unterrichten. Wie gehen Sie damit um?
Obwohl Finanzbildung in den Lehrplänen für Wirtschaft und Politik in Hamburg noch keine verpflichtende Rolle spielt, gibt es erste Fortschritte. Im aktuellen Rahmenplan Wirtschaft ist das Thema zumindest optional enthalten, was Schulen die Möglichkeit gibt, es in den Unterricht zu integrieren. Zusätzlich werden Projekttage genutzt, um Schülerinnen und Schülern praxisnahe Einblicke in den Umgang mit Geld zu ermöglichen. Seit 2025 gibt es das Projekt „School Meets Finance“, das Expertinnen und Experten aus der Finanzwirtschaft direkt mit Schulklassen zusammenbringt. Dabei werden zentrale Themen wie Budgetplanung, Spar- und Investitionsmöglichkeiten sowie Schuldenmanagement vermittelt. Das Ziel ist es, allen Jugendlichen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund das nötige Wissen für souveräne finanzielle Entscheidungen mitzugeben. Fortbildungen für Lehrkräfte sowie Kooperationen mit externen Institutionen tragen dazu bei, Finanzbildung langfristig stärker zu verankern. Dazu zählen unter anderem die Fortbildungen der Flossbach von Storch Stiftung für Lehrkräfte sowie das Angebot von Finanztip Schule, das Lehrkräfte dabei unterstützt, ihre Schülerinnen und Schüler praxisnah und fundiert für Verbraucher- und Finanzthemen zu sensibilisieren. Für einen mehrperspektivischen Wirtschaftsunterricht, der Praxisnähe kritisch reflektiert, sind gut ausgebildete Lehrkräfte von zentraler Bedeutung. Es bleibt zu hoffen, dass sich finanzielle Bildung bald fest in den Lehrplänen etabliert und noch mehr junge Menschen davon profitieren können.
Noch eine Frage an die Lehrkraft: Was kann Schule tun, um diesem wichtigen Thema mehr Gewicht zu verleihen und bereits junge Menschen anzuregen, sich mit dem Vermögensaufbau zu beschäftigen?
Schulen können Finanzbildung gezielt fördern, indem sie das Thema nicht nur in den regulären Unterricht integrieren, sondern es auch im Schulalltag aktiv aufgreifen. Praxisnahe Projekte wie Planspiele zur Geldanlage oder Workshops mit Finanzexpert:innen helfen Schülerinnen und Schülern, früh ein Bewusstsein für Vermögensaufbau zu entwickeln. Auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern, etwa Banken oder Finanzbildungsinitiativen, ermöglicht wertvolle Einblicke in die praktische Anwendung von Finanzwissen. Seit 2025 unterstützt mein Buch „Dein Finanzkompass“ junge Menschen dabei, Finanzwissen praxisnah zu erlernen und langfristig Vermögen aufzubauen. Neben Themen wie Steuererklärung, Schuldenmanagement, Haushaltsführung und Versicherungen bietet jedes Kapitel digitale Unterrichtseinheiten zur Vertiefung. Das interaktive Simulationsspiel von Fiducation z. B. ermöglicht es den Lernenden, mit 10.000 € über 20 Jahre verschiedene Anlageformen wie Aktien, Anleihen, Immobilien, Gold und Kryptowährungen zu testen und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen.
Es gibt also viele Möglichkeiten, um das Thema Finanzbildung in der Schule stärker zu verankern. Letztlich geht es darum, Finanzbildung nicht nur als Theorie zu vermitteln, sondern als lebensnahe Kompetenz, die jungen Menschen mehr Sicherheit für ihre finanzielle Zukunft gibt.